Vorwort
Ein ermutigender Begleiter, wie wir ihn selbst gerne gehabt hätten
Dürfen wir ein Buch mit dem Titel „Antidepressiva absetzen“ schreiben? Ist das Thema nicht viel zu heikel, ja geradezu gefährlich? Setzen wir damit ein Signal an Betroffene, ihre Psychopharmaka nicht mehr zu nehmen - mit allen unabsehbaren Folgen? Bekommen wir nun mächtig Gegenwind von Psychiatern, Hausärzten, Patienten und Angehörigen?
Diese und viele andere Fragen haben wir uns immer und immer wieder gestellt. Um letztlich zu einer klaren Antwort zu kommen: Ja, wir dürfen das. Besser gesagt: Wir fühlen uns sogar dazu verpflichtet. Aus dem einfachen Grund, dass es unglaublich viele Menschen gibt, die dringend auf Hilfe bei diesem Thema angewiesen sind und sie viel zu selten bekommen.
Aus hunderten Mails von Betroffenen spricht die pure Verzweiflung
Das ist keine Mutmaßung, sondern ein Fakt. Seit diesem Artikel auf dem Blog Adios Angst – Bonjour Leben gab es hunderte von E-Mails. Aus vielen spricht die pure Verzweiflung. Die Betroffenen fühlen sich in dem Wunsch, endlich keine Antidepressiva mehr einnehmen zu müssen, allein gelassen. Ihnen fehlen Informationen und die wichtige Unterstützung bei dem schwierigen Vorhaben. Häufig treffen sie ganz schlechte Entscheidungen und setzen die verordneten Medikamente abrupt ab, ohne sich der möglichen Folgen bewusst zu sein.
Die häufigsten Fragen sind: Wann darf oder kann ich überhaupt den Versuch starten, Psychopharmaka abzusetzen? Muss ich das mit meinem Arzt oder Therapeuten absprechen? Wie sieht ein vernünftiger Absetzplan aus? Welche Absetzsymptome kann es geben? Wie gehe ich mit der Angst vor den Absetzsymptomen um? Was mache ich, wenn die Absetzsymptome so stark sind, dass ich es nicht mehr auszuhalten glaube? Wie kann ich mich und mein Umfeld am besten auf das Absetzen vorbereiten? Wie lange dauert es, bis mein Körper von den Medikamenten entwöhnt ist?
Wo sind die positiven Beispiele?
Wir, die beiden Autoren dieses Buchs, waren selbst von dem Thema betroffen. Jeder auf sich allein gestellt, denn wir haben uns erst nach dem erfolgreichen Absetzen kennengelernt. Unabhängig voneinander haben wir im Buchhandel und im Internet vergeblich Antworten auf die brennenden Fragen gesucht. Liebend gerne hätten wir uns von positiven Beispielen ermutigen lassen, hätten uns Tipps und Ermutigung geholt. Doch beim Stöbern durch die einschlägigen Foren lasen wir fast ausschließlich von gescheiterten Versuchen, Angst und Verzweiflung.
Trotzdem haben wir uns irgendwann getraut, nach jahrelanger Einnahme die verordneten Antidepressiva abzusetzen. Ein mutiger Schritt, ein Stück weit auch Blindflug mit dem eigenen Körper. Doch jeder von uns wollte es unbedingt und fühlte sich stabil genug.
Das große, verbindende Thema Achtsamkeit
Als wir uns beim Kennenlernen unsere Absetz-Geschichten erzählten, stellten wir eine große Gemeinsamkeit fest: Wir sind mit dem Thema Achtsamkeit durch frühere Therapien, Klinikaufenthalte und unsere persönliche Entwicklung sehr vertraut. Yoga, Meditation und Entspannungsübungen gehören für uns zur täglichen Routine, um nicht wieder in Angstzustände und Depressionen abzurutschen. Wir sind überzeugt davon, dass diese Dinge – zusammen mit gesunder Ernährung, viel Ruhe und Geduld - wesentlich zum erfolgreichen Absetzen der Antidepressiva beigetragen haben. Deshalb nehmen diese Themen einen wichtigen Raum in diesem Buch ein.
Wir haben einen ermutigenden Leitfaden geschaffen, der das Thema von vielen Seiten beleuchtet. Ein Werk, das ganz viel positive Hilfestellung liefert, die Leser an die Hand nimmt und sie durch die schwierige Zeit begleitet. Mit unseren eigenen Geschichten zeigen wir, dass es tatsächlich möglich ist, selbst nach vielen Jahren Antidepressiva erfolgreich abzusetzen. Zugleich sprechen wir die potenziellen Probleme offen an und zeigen Lösungen auf, die bei uns funktioniert haben. Wir haben das Buch geschrieben, das wir selbst gerne vor dem Absetzen von Antidepressiva gelesen hätten – nur gab es das nicht.
Das E-Book ist kein Aufruf zum Absetzen und ersetzt keine ärztlichen Ratschläge!
Das E-Book dient dabei weder als medizinischer Ratgeber noch als Blaupause mit Erfolgsgarantie. Wir lassen Befürworter wie Kritiker der Antidepressiva-Verordnungen zu Wort kommen und bilden damit ganz bewusst und ausgewogen die verschiedenen Seiten dieses brisanten Themas ab.
Denn nichts läge uns ferner, als mit diesem Buch zu polarisieren. Niemand muss Schuldgefühle haben, weil er Antidepressiva nimmt oder sich unter Druck gesetzt fühlen, diese abzusetzen. Jeder muss bei diesem Thema seinen eigenen Weg finden. Wir wollen niemanden bekehren und schon gar nicht zu unüberlegten Dingen anstiften. Das E-Book ist definitiv kein Aufruf zum Absetzen von Antidepressiva und ersetzt auch keine Ratschläge von Ärzten und Therapeuten. Wir sehen es als zusätzliches Angebot.
Umfangreiche Informationen für Betroffene und Angehörige
Wer aus seinem ganz individuellen Grund heraus den Entschluss gefasst hat, Antidepressiva abzusetzen, dem bieten wir umfangreiche Informationen und Hilfestellung. Allen, die Angehörige haben, die mit einem solchen Gedanken spielen, zeigen wir, dass dieses Unterfangen weder verrückt noch hoffnungslos ist. Und noch dazu, dass sie selbst sehr viel Positives zum Gelingen beitragen können. Vielleicht sind auch Leser dabei, für die das Thema gefühlt noch in weiter Ferne ist. Auch sie können sich hier einen guten Überblick verschaffen und sich durch unsere Tipps schon jetzt eine Basis für ein späteres Absetzen schaffen.
Wir haben dieses Buch geschrieben, weil wir selbst vor einem Jahr bzw. wenigen Monaten gerne ein solches zur Unterstützung gehabt hätten. All unser Herzblut und unsere Erfahrungen liegen hier drin, um Menschen zu helfen. Niemand soll und darf sich bei diesem schwierigen Thema allein gelassen fühlen.
Wie gut uns das gelungen ist, entscheiden einzig und allein unsere Leser. Wir freuen uns jetzt schon auf das Feedback, um bei der nächsten Auflage noch besser auf die Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen eingehen zu können.
Melanie Müller, Mischa Miltenberger, September 2016